Der Gemeinderat hat im März 2025 beschlossen, dass das Kunstprojekt „Stolpersteine“ des Künstler Gunter Demnig in Rastede umgesetzt werden darf. Stolpersteine geben Aufschluss über Namen und Geburtsjahr sowie einige Eckdaten zum individuellen Schicksal einer Person, die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft wurde. Sie werden in der Regel im Gehweg vor deren ehemaligen Wohnhäusern verlegt.
In Rastede sollen zuerst Stolpersteine für die jüdischen NS-Opfer und ihre Angehörigen verlegt werden, über deren Schicksals und ehemalige Wohnstätte wir Kenntnis haben. Informationen über weitere Rasteder*innen, die Opfer des Nationalsozialsmus wurden, sind bisher sehr spärlich.
Zum Kunstprojekt von Gunter Demnig gehören auch Stolperschwellen, die sich auf ein kollektives Schicksal beziehen. Durch die Verlegung von Stolperschwellen kann der vielen Opfer gedacht werden, deren Namen und individuelle Schicksale uns nicht bekannt sind.
Stolpersteine vor den ehemaligen Wohnhäusern der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus

Schloßstraße 16 – Familie Hattendorf
Bis zum Jahr 1940 wohnten hier das Ehepaar Karl und Clara Hattendorf sowie ihre erwachsene Tochter Selma und deren Sohn Hinrich (genannt „Henry“). Für die Mitglieder der Familie Hattendorf werden am 9. Februar 2026 um 9.00 Uhr Stolpersteine verlegt.
Die Familie wurde 1940 aus Rastede ausgewiesen. Karl und Clara Hattendorf mussten in ein „Judenhaus“ in Hamburg ziehen. 1942 wurden sie ins KZ Theresienstadt deportiert und dort ermordet. Selma Hattedorf kam 1944 in ein Arbeitslager in Kassel, ihr Sohn Hinrich musste ins Heim. Beide überlebten den NS-Terror.
ausführliche Informationen über das Schicksal der Familie Hattendorf auf der Webseite zum Projekt „Radeln gegen Rassismus“

Raiffeisenstraße 16 – Familie Hoffmann
In der damaligen Knoopstraße 120 lebten das Ehepaar David und Selma Hoffmann sowie deren erwachsene Kinder Arend, Siegfried, Carla und Hermann.
Siegfried Hattendorf war das erste Todesopfer der Nationalsozialisten im Oldenburger Land. Anfang Januar 1936 wurde er aufgrund seiner Verlobung mit einer „arischen“ Frau verhaftet und im Oldenburger Staatsgefängis eingesperrt. Angeblich hat er am 22. Januar in seiner Zelle Selbstmord begangen. Es ist davon auszugehen, dass er wohl an den Folgen von Misshandlung starb. Seine Geschwister flohen 1937 aus Rastede und konnten in der Folge nach Australien entkommen. Ihr Vater David Hoffmann wurde 1940 in ein „Judenhaus“ in Hamburg eingewiesen und 1942 ins Ghetto Minsk in Belarus deportiert, wo er bald darauf starb.
ausführlichere Informationen über das Schicksal der Familie Hoffmann auf der Webseite des Projekts „Radeln gegen Rassismus“

Raiffeisenstraße 19 – Familie Pagener
Das junge Ehepaar Nobert und Anna Pagener lebte mit den beiden Töchtern Ruth und Ingrid in der damaligen Knoopstraße 106.
Die Familie floh 1937 zunächst nach Oldenburg, wo die Mädchen die jüdische Schule besuchen konnten. In Rastede waren sie von den Lehrkräften und Mitschüler*innen schikaniert und angegriffen worden. Von Oldenburg gelang im Jahr 1939 die Flucht in die Niederlande. 1940 wurde die Familie in Amsterdam von den Nazis verhaftet und im Durchgangslager Westerbork interniert. Im Januar 1944 erfolgte die Deportation ins KZ Theresienstadt und dann nach Auschwitz, wo Norbert Pagener ermordet wurde. Anna Pagener und die Töchter wurden ins KZ Stutthoff gebracht, wo sie kurz vor Kriegsende zu Tode kamen – vermutlich auf einem Todesmarsch.
ausführliche Informationen über das Schicksal der Familie Pagener auf der Webseite zum Projekt „Radeln gegen Rassismus“

Bahnhofstraße 24a – Familie de Levie
Hier lebten Levie und Sophie de Levie mit ihren erwachsenen Kindern Grete, Regina und Bernhard. Zur Hausgemeinschaft gehörten außerdem Bernhards Frau Doris de Levie, Reginas Ehemann August Wittkop und Gretes Tocher Hannelore Rosenbaum.
Anna Pagener war ebenfalls eine Tochter von Levie und Sophie de Levie.
Regina und Berhard de Levie hatten „arische“ Ehepartner geheiratet. Daher wurden sie in Rastede wegen „Rassenschande“ verfolgt. Alle Mitglieder der Familie de Levie flohen zwischen 1935 und 1937 aus Rastede. Bernhard de Levie konnte mit seiner Frau Regina nach Südamerika entkommen und 1940 die Eltern nachholen. Auch Grete und ihrer Tochter Hannelore gelang die Flucht nach Südamerika. Nur Regina de Levie überlebte den NS-Terror in Deutschland. Sie wurde 1940 in ein „Judenhaus“ in Hamburg eingewiesen und musste Zwangsarbeit leisten.
ausführliche Informationen über das Schicksal der Familie de Levie auf der Webseite zum Projekt „Radeln gegen Rassismus“

Südender Straße 24 – Dina Röben
In diesem Haus lebte Dina Röben, geb. Türk, mit ihrer Familie. Damals lautete die Adresse noch „Borbecker Weg“, später wurde ein Teil des Borbecker Wegs zur Südender Straße.
Der Rasteder Carl Röben hatte in Berlin Dina Türk kennengelernt. Sie heirateten und gründeten eine Familie. Carl Röben war christilich und auch Dina Röben war zum evangelischen Glauben übergetreten. Gemeinsam führten sie in Berlin ein Restaurant. Als Carl Röben sich zur Ruhe setzte, kehrte er mit seiner Frau, seinem Sohn und seiner Tochter nach Rastede zurück. Der Sohn wanderte in den 1920er Jahren in die USA aus. Carl Röben verstarb im Jahr 1933.
Im Mai 1940 wurde Dina Röben das Haus weggenommen, sie musste nach Hamburg in ein „Judenhaus“. Im Oktober 1940 konnte sie nach Rastede zurückkehren und bei ihrer Tochter und ihrem Schwiegersohn unterkommen. Im Januar 1944 musste ihre Tochter sie nach Oldenburg zum Bahnhof bringen, von wo sie ins KZ Theresienstadt deportiert wurde. Als das KZ befreit war, kehrte Dina Röbern sehr krank und schwach nach Rastede zurück. Im Jahr 1947 emigrierte sie zu ihrem Sohn in die USA.
Mögliche Orte für die Verlegung von Stolperschwellen
Die Verlegung von Stolperschwellen in Rastede kann zum Beispiel an Orten erfolgen, wo Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter*innen untergebracht waren oder arbeiten mussten. In Rastede wurden Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter*innen in der Industrie und in der Landwirtschaft eingesetzt. Kriegsgefangene wurden vor allen in Gastwirtschaften untergebracht. Die Unterlagen zu dieser Thematik sind insgesamt sehr unvollständig. Für einige Lager konnte der genaue Standort bisher nicht lokalisiert werden.
Zwangsarbeiter*innen in der Industrie
- Standort der August-Brötje-Werke in der August-Brötje-Straße 17 und ehemaliger weiterer Standort in der Peterstraße 14
- Standort der ehemaligen Möbelfabrik Freers in der heutigen Raiffeisenstraße 44
- Standort der ehemaligen Firma „Walter von Essen“ (Ziegelei) in der Kleibroker Straße
Zwangsarbeiter*innen in der Landwirtschaft und an anderen Standorten
Auf vielen Rasteder Höfen mussten in der Zeit des Zweiten Weltkriegs Zwangsarbeiter*innen arbeiten. Auch in Geschäften, Gatswirtschaften und bei der Gemeinde Rastede wurden Zwangsarbeiter*innen eingesetzt. Die Unterlagen hierzu sind sehr unvollständig. Daher wird die Verlegung einer Stolperschwelle an einem zentralen Ort, wie zum Beispiel dem Rasteder Bahnhof vorgeschlagen, um dort an das Schicksal der vielen verschleppten Männer, Frauen und Kinder zu erinnern, wo sie damals in Rastede ankamen.
Kriegsgefangenenlager
- Schützenhalle Rastede in der Mühlenstraße 33
- ehemalige Gastwirtschaft Tannenkrug in der Oldenburger Straße 44
- Standort des ehemaligen Hahner Hofs in der Wilhelmshavener Straße 214 in Hahn-Lehmden
ausführlichere Informationen über das Schicksal von Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter*innen in Rastede auf der Webseite des Projekts „Radeln gegen Rassismus“